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Haustiere – zwischen Vernachlässigung und Vermenschlichung – Dr. Elisabeth Stöger

oder – aus medizinischer Sicht – das Haustier zwischen Verhärtung und Entzündung

Genesis 2,15:“Gott, der Herr, nahm also den Menschen und setzte ihn in den Garten von Eden, damit er in bebaue und hüte.“

Genesis 1,28: „Seid fruchtbar und vermehrt euch, bevölkert die Erde, unterwerft sie euch und herrscht über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die sich auf dem Land regen.“

Zwei sehr unterschiedliche Aussagen zur Stellung und Aufgabe des Menschen im Bezug auf seine Umwelt und Mitgeschöpfe.

Ziel dieses Referates ist es, an der Fragestellung Verhärtung und Entzündung bzw. am Thema Vernachlässigung und Vermenschlichung einen Schritt zur Klärung zu machen, wie Mensch und Tier zueinander stehen.

Blickt man auf die verschiedenen medizinischen Lehren, so erkennt man, dass allen Medizinrichtungen – eben auch der Anthroposophischen Medizin – eigene Weltbilder zugrunde liegen. Nach Auffassung Dr. Rudolf Steiners besitzt der Mensch vier Wesensglieder.

Der Physischer Leib oder Stoffleib ist jener, der aus dem Mineralreich stammt und jenes, was nach dem Tod eines Lebewesens an Mineralien, Salzen, an physikalischen und chemischen Verbindungen übrigbleibt. Nach dem Tod ist er sofort der Zersetzung ausgeliefert. Bei seiner Verbrennung bleibt die Asche übrig – ein deutlicher Hinweis auf das Mineralreich.

Aus medizinischer Sicht ist der physische Leib jener, den die moderne Medizin am besten kennt. Er ist direkt wahrnehmbar und lässt sich gut naturwissenschaftlich betrachten, also Messen und Wägen. Für ihn gelten die Gesetzmäßigkeiten der Physik und Chemie und er ist der direkten Behandlung mit konventionellen Methoden gut zugänglich. Er lässt sich gut untersuchen: die Befunde, die chemisch-physikalischen Parameter und die bildgebenden Methoden (Röntgen, Ultraschall, Computertomographie, MRT) geben Auskunft über den physischen Leib. Aus dieser Sicht ist klar, dass Krankheitsbilder, die mit Gesteinsbildung einhergehen – wie Nierensteine, Gallensteine – sowie Verkalkungen in Arterien, im Auge, im Gehirn etc., dann Überhand nehmen, wenn die mineralisierenden Kräfte im Lebenskörper zu stark oder die Kräfte der Lebensorganisation zu schwach sind. Die typischen Krankheiten sind also mineralisch-starr.

Der Lebensleib wird von Rudolf Steiner meist Ätherleib genannt. Alle Lebensvorgänge haben im Menschen ebenso wie in Tieren und Pflanzen eine eigene Ordnung und Gesetzmäßigkeit. Eine weitere Bezeichnung für dieses System der Lebensgesetzmäßigkeiten ist Bildekräfte-Organisation. Der Lebensleib bewirkt eine geordnete Bildung und Funktion der Organe. Er steuert das Wachstum und wirkt zeitlebens dem Verfall entgegen. Durch den Lebensleib werden Mineralien und ihre chemischen und physikalischen Verbindungen in eine Ordnung zueinander geführt. Während auf den Stoffleib die Schwerkraft wirkt, gelingt es uns mit Hilfe des Lebensleibes gegen die Wirkung der Schwerkraft uns aufzurichten. Die ungeheure Dynamik aller Lebensprozesse ist am deutlichsten im Pflanzenreich anschaubar: wie sich eine Pflanze durch die Asphaltdecke schiebt, wie jedes Jahr aufs Neue in kurzer Zeit der Laubbaum seine Blätter herausschiebt oder wie im tropischen Klima das Pflanzenreich wuchert. Auch die Säfteströme in Bäumen sind mit den bekannten physikalischen Gesetzen nicht erklärbar: wie schafft es ein 100m hoher Baum bis hoch hinauf die Säfte strömen lassen? Dieses Phänomen zeigt uns die Kräfte des Lebensleibes. Vergleichbar damit ist das geordnete Strömen der Körperflüssigkeiten im Menschen und im Tier – Ausdruck des Lebensleibes. Wirken diese Ordnungskräfte zu schwach, so entstehen Missbildungen, erlahmen die Säfteströme (etwa der Blutkreislauf), dann tritt sehr rasch der Tod ein. Eine Verwandtschaft mit kosmischen Kräften ist gegeben. Typische Erkrankungen des Lebensleibes sind Wasseransammlungen oder auch Psychosen.

Der Astralleib (lat. astrum = der Stern) wird auch als Empfindungsleib oder Seelenleib bezeichnet. So wie dem Ätherleib die Eigenschaft „belebt“ zugeordnet ist, so gehört „beseelt“ zum Astralleib. Das Gefühlsleben verbindet uns mit dem Tierreich. Besonders an unseren Haustieren – hier wieder ganz stark am Hund – können wir Freude, Angst, Lust, Schmerz etc. wahrnehmen. Empfindungen führen zu Bewegungen. Bewegungen können bewusst gesteuert sein (Eigenbewegung), aber auch Reflexe, also nicht bewusst gesteuerte Bewegungen und autonome Rhythmen sind Ausdruck des Astalleibes. Der Astalleib ist eine regulierende Instanz, was etwa an der Ausdifferenzierung inner und äußerer Geschlechtsmerkmale sichtbar wird. Auch die Vorgänge im Immunsystem sind den Kräften des Astalleibes zugeordnet. Beschäftigt man sich mit dem Seelenleib, dann wird rasch die enge Verbindung mit dem Lebensleib sichtbar: Gefühle sind mit dem Körper eng verbunden. Ein Bespiel ist, wie Lachen, Weinen oder Schmerz die Atmung verändern und umgekehrt die Schulung der Atmung eine Führung im Seelischen bedeuten kann. Die moderne Medizin spricht von psycho-neuro-immunologischen oder auch von psycho-neuro-endokrinologischen Zusammenhängen, also vom Zusammenhang zwischen dem Seelenleben mit dem Nervensystem, Immunsystem oder Hormonsystem. Aus medizinischer Sicht kann die Reaktion des Lebensleibes auf seelisch Erlebtes zu den psychosomatischen Zustandsbildern führen. Fast jeder wird selbst schon die Erfahrung gemacht, wie Stress oder belastende Situationen sich in einer erhöhten Anfälligkeit auf Infektionen bemerkbar machen.

Als ICH-Organisation oder als das ICH wird das geistige Prinzip des Menschen bezeichnet. Es ist mit unseren gewohnten Begriffen schwer beschreibbar. Das ICH wirkt in die anderen Leiber des Menschen hinein, geht aber auch weit darüber hinaus. Das Geistige ist etwas, das nach oben hin offen ist. Die Individualität des Menschen ist Ausdruck des ICH, ebenso alle selbstbewussten Vorgänge. Es ermöglicht die Erinnerungskraft, ein Zeitbewusstsein und die Denkkraft. Geistige Kräfte, die in uns hineinwirken, lassen den Menschen erkennen: „Da bin ich und dort ist die Welt.“ Auch Sprechen, aufrechter Gang und Stehen sind durch die Ich-Organisation möglich. Aus medizinischer Sicht ist die ICH-Organisation mit der Wärmeregulation verbunden.

 

Wesentlich bei solchen Gliederungen ist es zu beachten, dass die einzelnen Wesensglieder gleichzeitig nebeneinander bestehen. Zur besseren Verständlichkeit ihres Wesens, ihrer Aufgaben und Zuordnungen müssen sie, wie oben dargestellt, einzeln angeführt werden. Im Lebendigen existieren sie nebeneinander, sich gegenseitig durchdringend, einander bedingend, kontrollierend und steuernd.

Wenn wir von Tieren sprechen, so sollten wir uns bewusst machen, dass lediglich ein sehr, sehr kleiner Teil der Tierwelt innerhalb der letzten 14 Jahrtausende zu Haustieren wurde:

Beispiele der Haustierwerdung:

Ab rund 12 000 v. Chr. wurde in verschiedenen Regionen der Welt der Hund zum Haustier. Er ist also unser ältestes Haustier.

Um 7000 – 8000 v. Chr. wurden Ziege, Schaf, Rind und Schwein im Vorderasiatischen Raum domestiziert.

Ebenso von Vorderasien stammt die Taube, ab dem 5. Jahrtausend v. Chr. ein Haustier.

Das Pferd  wurde rund 4000 v. Chr. in Ägypten in den Hausstand genommen. Etwa 3000 v. Chr. kamen in Ägypten die Honigbiene und die Gans zu den Haustieren.

Zur selben Zeit wurde das Huhn in Südost-Asien domestiziert.

Man sieht an dieser Darstellung, dass der Mensch – vor rund 1,6 Millionen Jahren erschien mit dem Homo ergaster der erste „menschliche Vorfahre“, vor ca. 200 000 Jahren lebte der Neandertaler, seit vor rund 40 000 Jahren der Homo sapiens – viele Jahrzehntausende neben den Tieren lebte. Dann – innerhalb von „nur“ vier Jahrtausenden – wurden die auch heute noch wichtigsten Haustiere gezähmt und in den Hausstand gehoben. Welch einen revolutionären Umbruch hat es damals in der Menschheitsentwicklung gegeben. Man kann davon ausgehen, dass dies nur durch einen Bewusstseinssprung des Menschen, aber auch einer besonderen „seelischen Konzeptionsbereitschaft“ innerhalb der Tierwelt möglich war.

Lebten Mensch und Tier in vormittelalterlichen Zeiten in enger räumlicher und seelischer Verbundenheit („Der gute Hirte verlässt seine Herde nie“), so lässt sich danach ein deutlicher Trend der „Versachlichung“ des Tieres, vor allem des Haustieres feststellen, die so weit ging, dass man dem Tier die Seele und mit ihr auch das Gefühlsempfinden absprach.

Gegenwärtig steht in der Landwirtschaft eine nutzorientierte Haltung im Vordergrund, die davon ausgeht, dass nur gute Bedingungen hohe physiologische Leistungen hervorzubringen imstande sind und die, ohne Rücksicht auf frühere Anschauungen und Erfahrungen empirisch Haltungsbedingungen festzulegen versucht.

Zwei Tendenzen sind dabei bemerkenswert: die Zerteilung eines Organismus in seine Einzelbestandteile, indem z.B. der Pansen oder das Euter einer Kuh völlig isoliert vom Ganzen angesehen und untersucht werden. Aus dem Detail versucht man aufs Ganze zu schließen wird. Auf der anderen Seite gehen Menschen in der Forschung mit möglichster seelischer „Zurückhaltung“ vor, um Arbeits- und Forschungsergebnisse nicht zu verfälschen.

Für die Tierhaltung in der Praxis ist aber v.a. ein natürliches Gefühl für das tierische Wesen notwendig.

Beispiel: in den letzten Jahren wurde von der Nutztierwissenschaft die Meinung propagiert, neugeborene Kälber sollten so rasch wie möglich aus dem warmen Stall in eine kalte Umgebung gebracht werden. Das menschliche „natürliche Mutterinstinktgefühl“ stand und steht dem konträr gegenüber, jedoch hielten sich viele Tierhalter an diese „neuesten wissenschaftliche Erkenntnisse“. Inzwischen gibt es aber „allerneueste wissenschaftliche Erkenntnisse“, die besagen nunmehr: „Das Kalb braucht Wärme.“ Kommentar überflüssig.

Spricht man vom Tierreich, dann ist ein Blick auf die Systematik des Tierreichs aufschlussreich: Einzeller – Mehrzeller – Wirbellose Tiere – Wirbeltiere: Fische, Amphibien, Reptilien, Vögel, Säugetiere

Klar ist zu erkennen, dass vom tierischen Leben des Einzellers bis zum hochentwickelten Säugetier eine höchst unterschiedliche Ausprägung von Seelenleibern vorliegt.

Die Begegnung von Menschen und Haustieren ist eine Begegnung auf der Ebene der Astralleiber.

Die Dreigliederung des leiblichen Organismus:

Menschliche Körperfunktionen lassen sich nach anthroposophischer Anschauungsweise gliedern in drei Systeme:

  • Nerven-Sinnes-System – körperlich ausgebildet als Gehirn, Nerven und Sinnesorgane, konzentriert vor allem im Kopf zu finden, mit Tendenz zur Ruhe

  • Stoffwechsel-Gliedmaßen-System – körperlich als Verdauungsorgane im Bauchraum und als Gliedmaßen aufzufinden, nach dem Prinzip Bewegung

  • Rhythmisches System – das bei beiden Pole verbindet und ausgleicht. Körperlich in Herz und Kreislauf, in der Atmung und im Rhythmus von Wachen und Schlafen anzuschauen.

So harmonisch der Mensch in diesen erwähnten Körperfunktionen gegliedert erscheint, so sehr weisen die einzelnen Tiergattungen darin fast durchwegs Spezialisierungen auf und wir unterscheiden vereinfacht dargestellt „Kopf-, Brust- und Bauchtiere“. Als die Repräsentanten der, für die Landwirtschaft so bedeutsamen Verdauungstiere mit ihrer breiten, ökologisch vielfältigen pflanzlichen Nahrungsaufnahme werden die Wiederkäuer angesehen. Weltweit zählen zu ihnen 139 Arten.

Unter den Wiederkäuern fallen sowohl deren unterschiedliche seelischen Qualitäten auf, als auch das unterschiedliche Selektion- und Fressverhalten. Dies bedingt auch Unterschiede im Verdauungstrakt und in der Verdauungsphysiologie.

So sind in einer Grobeinteilung auf der einen Seite die „Konzentratfresser“ zu finden, die lediglich harz-, fett- und ölreiche, rohfaserarme Pflanzenteile, wie Samen, Knospen, Triebspitzen bevorzugen (Ziege, Reh) und anderseits solche, die sich fast ausschließlich mit zellulosereichem Pflanzenstängeln und -blättern begnügen (Rind, Schaf, Hirsch).

Schema der Wiederkäuer im „Regenbogen von der Ziege bis zum Auerochsen und Büffel

Sklerose und Entzündung als polare Gegensätze:

Medizinische Begriffszuordnungen, polare Gegensätze, 
die sich auf Grund der Fragestellung ergeben:

 

Sklerose

Verhärtung – Ablagerung

Im Körperlichen

Knochen, Skelett, Zähne, Bindegewebe und Stützgewebe, Gefäßwände

bewirkt Festigkeit des (Stoff)Leibes

Formbildend – Ins Stoffliche gehend

Aus dem Leben fallend

Im Physiologischen

Bewegungseinschränkung oder Verlust der Beweglichkeit

Arteriosklerose, grauer Star, Steinbildung, Gicht, Zirrhose

Im Seelisch-Geistigen

Ordnend, Klarheit, Konsequenz, Konzentration

Sparsamkeit bis zur Pathologischen

Zwänge, Phobien, Pedanterie, Geiz

Neurosen

Interesselosigkeit

Organ: Lunge (Erdenorgan)

Alterskräfte – machen den Menschen zu einem erdenfähigem Wesen, Bildungstendenz des Stoffleibes

Element: Mineral

Entzündung

Auflösung – Erneuerung – Regeneration

Im Körperlichen

Entzündungssymptome: Wärme (Calor), Rötung (Robor), Schmerz (Dolor), Schwellung (Tumor), eingeschränkte Funktion

Heftig, brennend, feurig

Lokal oder den ganzen Körper betreffend

Im Physiologischen

Dominanz der Stoffwechselvorgänge Flüssigkeitsabsonderung – Schleim – Eiter

Starkes Regenerationsvermögen, z.B. bei Kinderkrankheiten (Fieber+Ausschlag, generalisierte Krankheiten), aber auch Absterbeprozess – Nekrose, z.B. die Alterspneumonie als Öffner des Tores zur geistigen Welt

Im Seelisch-Geistigen

Sich begeistern, ideell entzünden

Hyperaktivität

Kindheitskräfte – wirkt gegen Alterungsprozess

Organ: Herz

Element: Wärme

Klauenrehe des Rindes

Am Beispiel dieser typischen Wiederkäuererkrankung in der modernen Haustierhaltung, der Klauenrehe, wollen wir nun versuchen, die Zusammenhänge zwischen den Kräften der Wesensgliederleiber darzustellen.

Die Klauenrehe beim Rind – vor allem sind Milchkühe betroffen – ist eine Entzündung der Lederhaut in der Klauensohle und -wand. Die Ursache ist vor allem in Fütterungsfehlern zu finden, es handelt sich also nicht um eine Infektionskrankheit. Sie kann einzelne Tiere betreffen oder als Bestandserkrankung auftreten. Typische Fütterungsfehler sind hohen Kraftfuttergaben, wenig Rohfaser, Eiweißüberfütterung und daraus entstehende Pansenübersäuerung. Auch langes Stehen und Gehen auf harten Böden kann eine Klauenrehe auslösen. Weitere Erkrankungen wie Gebärmutterentzündungen, Nachgeburtsverhalten oder Stoffwechselstörungen können Auslöser sein. Sie gilt als die wichtigste Ursache für Lahmheiten und weitere Klauenerkrankungen, etwa für das Sohlengeschwür. Klauenrehe tritt meist rund um die Geburt auf. Es wird zwischen akuter und chronischer Klauenrehe unterschieden.

Bei der Klauenrehe kommt es zu einer Durchblutungsstörung der Lederhaut. Durch diese Durchblutungsstörung wird die stabile Verbindung zwischen Blättchenhorn und Lederhaut gelockert, indem hier Flüssigkeit aus den Blutgefäßen austritt. Die straffe Verbindung wird gelockert und das Klauenbein sinkt durch das Gewicht des Tieres auf die Sohlenlederhaut. Bei starken Durchblutungsstörungen wird die Verbindung vollständig gelockert und durch das Gewicht des Tieres wird die Sohlenlederhaut durch das Klauenbein auf der ganzen Fläche gequetscht.

Durch solche Schädigung setzt die Hornbildung vorübergehend aus und das Sohlenhorn löst sich von der Lederhaut ab. Später kommt eine Doppelsohle zum Vorschein. Blutergüsse in der Lederhaut werden in das neu gebildete, qualitativ schlechtere Horn eingebettet. Mit zunehmendem Hornwachstum gelangt dieses Blut als Sohlenblutungen v.a. entlang der weißen Linie an die Oberfläche.

Die typischen Formveränderungen bei Reheklauen sind die Aufkrümmung der Klauenspitze, deutliche Rillenbildung (Reheringe) an der vorderen und seitlichen Wand sowie die Ausbildung einer Vollklaue. Das Horn ist weich und verfärbt.

 

 

 

Klauenrehe – Rillen („Reheringe“) und Aufkrümmung

Klauenrehe – Verfärbungen

Die Klauenrehe ist wegen der vielen beteiligten Faktoren und oft verschleppten Fälle schwierig zu behandeln. Die häufige funktionelle Klauenpflege ist von größter Bedeutung. Am Tier erkennbare Symptome sind Wärme einzelner oder aller Klauen, große Schmerzhaftigkeit (geht bis zum Festliegen), vermehrtes Liegen und Bewegungsunlust, gehen wie „auf Eiern“, Lahmheiten.

Zeichnung der Klaue im seitlichen Aufriss mit konkaven Knick

Hohe Leistungsansprüche an Milchkühe verlangen hohe Mengen leicht verdaulicher Rationsbestandteile mit hoher Energiedichte, den Tieren wird struktur- und rohfaserarmes, jedoch kohlehydrat- und eiweißreiches Futter zugeführt.

Der Einsatz solcher Futtermittel fördert

  • wegen der Weichheit und der Kürze der einzelnen Futterbestandteile eine Pansenübersäuerung (Azidose) und damit ein vermindertes Wiederkauen,

  • die Bildung von toxin- und milchsäure–bildende Bakterien.

Durch einen niedrigen pH-Wert im Pansen, der sog. Pansenazidose, kommt es auch zu einer Verschiebung des Säure-Basen-Gleichgewichts im Blut (Azidose).

Diese Effekte ergeben sich nicht nur bei hohen Getreideschrotgaben, sondern auch bei früher und intensiver Nutzung von Grünlandbeständen. Neuere Untersuchungen zeigen, dass dabei weniger der hohe Gehalt an Protein als jener an Fructan (Vielfachfruchtzucker) für das Auftreten der Klauenrehe entscheidend ist. Gerade bei trocken kalter Frühjahrswitterung reichern sich im Grünfutteraufwuchs vor allem in weidelgrasbetonten Beständen größere Fruchtzuckermengen an, die zu problematischen Gehalten von über 10 % der Trockenmasse in Frischfutter und Konserven führen. Eine Ergänzung der Rationen mit einer Strukturkomponente wie z.B. Stroh oder „überständigem“ Heu sind in diesen Fällen geboten.

Gerade in der Frühjahrsübergangsfütterung – von der Winterration auf Frischfutter, bzw. beim Weidegang – ist auf ein langsames Umstellen auf diese hochverdaulichen Futtermittel zu achten. Nur wenn den Pansenmikroben die Zeit zur Verfügung steht, sich an geänderte Rationszusammensetzungen anpassen, bleibt der Pansen pH-Wert stabil und die anfallenden Nährstoffe können effektiv verwertet werden.

Die Klauenrehe bei Rind, Schaf und Ziege zeigt, dass gerade beim Wiederkäuer – jenen Tieren, die auf die Verdauungstätigkeit spezialisiert sind – bei Fütterungs-
fehlern eine unvermutete Ursache–Wirkungs-Kette ausgelöst wird. Dieser Zusammenhang ist anfangs schwer zu erkennen, weil die massive Schädigung der Klauen erst Wochen bis Monate nach der Pansen-Übersäuerung zu-
tage tritt.
Wiederkäuer sind als Repräsentanten der Verdauungstiere vor allem über die Fütterung gesund zu erhalten. Der Leistung angepasste Futterrationen verlangen vom Tierhalter großes Wissen über die einzelnen Futterkomponenten.
Besonders im Grünland und bei reiner Heufütterung sind den Auswahlmöglichkeiten Grenzen gesetzt und die geforderte Ausgewogenheit ist oftmals schwierig zu erlangen.
Wie kann man nun als Tierhalter eine eventuell auftretende Pansen-Übersäuerung erkennen, ohne den pH-Wert im Pansen zu messen? Die Anzahl der Kauschläge pro
Wiederkaubissen gibt uns die Rückmeldung über den Pansen-pH-Wert. Wir zählen also die Kauschläge, die das Tier für einen aufgestoßenen „Knödel“ beim Wiederkau-
en aufwendet. Der Pansen-pH-Wert ist in Ordnung, wenn mindestens 50 Kauschläge pro Bissen gemacht werden. Bei reiner Heufütterung wird die Anzahl der Kauschläge
pro Wiederkaubissen höher und kann 70, 80 oder über 100 betragen. Fällt die Wiederkautätigkeit allerdings auf unter 50 Kauschläge je Bissen ab, dann kann von einer Pansen-Übersäuerung ausgegangen werden. Demnach
wird eine Kuh, die beispielsweise nur 35 Kauschläge pro Wiederkaubissen macht, als krank anzusehen sein.
 
Nutztiere – Heimtiere: Verschiedene Krankheitsbilder
Die Nahrungsmittel liefernden Tiere in der Landwirtschaft, also Rinder, Schweine, Nutzgeflügel, Schafe und Ziegen, werden immer mehr in den wirtschaftlichen Zwang unserer Zeit mit einbezogen. Deutlich wird, dass hier das Rationale und Materielle dominiert. Geht man auf eine Landwirtschafts-Ausstellung, so begegnet man kaum Tieren, aber jede Art von Technik rund um die Tiere, vom Melkroboter
über Fütterungs-, Ausmist- zu Aufstallungs-Systemen, Kameraüberwachungen im Stall und Fangvorrichtungen. Für einen „Tiermenschen“ ist eine solche Veranstaltung einen große Enttäuschung – wo soll neben all der Technik noch
ein Bezug zum Tier möglich sein? Tatsächlich wurde in einer holländischen Studie über automatische Melksysteme (Melkroboter) nachgewiesen, dass diese keine Einsparung von Arbeitszeit bringen, einzig die Art der Arbeit ist anders
als beim Melken im Melkstand: was beim Melken der Kühe im Melkstand an Zeit notwendig ist, wird im automatischen Melksystem mit der Wartung der Maschine verbraucht. Also wird die Arbeitszeit nicht weniger, aber die Zeit mit den
Tieren wird beschnitten. So wandern die lebensmittelliefernden Tiere (Nutztiere) immer weiter in den Hintergrund, obwohl sie es sind, die die Leistung erbringen, die Milch geben, Eier legen und Fleisch liefern. Tendenz: Je größer die Tierzahlen sind, umso deutlicher entfernt sich der Tierhalter vom Tier. Die Reaktion der Gesellschaft auf diese Entwicklung sind die Tierschutz- und Tierrechtsbewegungen. Aber gerade in diesen Bewegungen wird deutlich, wie schwierig es ist, das Wohlbefinden von Tieren zu beurteilen, wenn der Blick ganz im Naturwissenschaftlichen und Physischen verhaftet ist. So kommt es dann zu Vorschriften, in denen
es um Mindestmaße in cm geht. Kommt man mit dem Maßband der Frage näher, ob es einem Tier gut geht? Gibt es ein Messinstrument dafür, ob eine Kuh für ihren Lebensleib und Seelenleib auch genug „Futter“ findet?
Die Reaktion der Nutztiere auf diese Entwicklung ist Rückzug und Verwilderung. Die Haltung in größeren Gruppen, in technisch ausgefeilten Systemen, immer mehr ohne Betreuung durch den Menschen, hinterlässt beim Haustier eine Lücke. Diese Lücke der menschlichen Betreuung sollen die Tiere mit Sozialkontakt untereinander füllen, was aber nur zum Teil möglich ist, denn der Mensch hat über viele Jahrhunderte und Jahrtausende vor allem über den Lebensleib und den Astralleib mit den Tiere gelebt, gearbeitet, gezüchtet und kommuniziert. Diese Vernachlässigung des Tierwesens
äußert sich zunehmend in häufigen und typischen Entzündungskrankheiten. Die Klauenrehe weiter oben diente bereits als Beispiel dafür. Euterentzündungen sind die häufigste Abgangsursache bei den Milchkühen. Sogar am Eierstock sind mit den Zysten Zeichen von Auslösung, Formlosigkeit und eingeschränkter Funktion sichtbar.

Eine ganz andere Bedeutung für den Menschen haben die Kleintiere, also Hunde und Katzen sowie die weiteren kleinen Haustierarten, Meerschweinchen, Kaninchen, Ziervögel. Auch Pferde sind oft im selben Boot. Was wir den „Nutztieren“ an seelischer Zuwendung immer weniger angedeihen lassen, damit überschütten wir die Kleintiere. Der Vorgang ist genau umgekehrt zu den Nutztieren: Hunde und Katzen
werden dauernd beobachtet, schlafen im Bett der Besitzer, werden animiert, fortwährend am Besitzerleben teilzunehmen, werden mit allem was gut und teuer ist verwöhnt, kurz: werden vermenschlicht. Die Vermenschlichung wird uns in den Seitenblicken deutlich vor Augen geführt: der kleine Hund in der Handtasche als Mode-Accessoire… Es gibt eine bedeutende Industrie für Tiernahrung, Tierspielzeug, Tierbedarf (z.B. Näpfe, Betten, Hängematten, Kuscheldecken…), Tierpflege, Tiermedikamente etc. Der Eindruck lässt sich nicht wegwischen: die Kleintiere sind
unsere seelischen Partner geworden. Oft bezeichnen Hunde- oder Katzenbesitzer ihr Tier als „mein Kind“. Sie gehen in der Pflege und Ernährung der Tiere auf – mit dem Effekt, dass Übergewicht, Diabetes und Allergien extrem ansteigen und dass die Geriatrie in der Tiermedizin inzwischen ein wichtiger Fachbereich geworden ist. Die Krankheiten der Kleintiere gleichen sich immer mehr den menschlichen Zivilisations-Krankheiten an. Aber auch Verhaltensprobleme sind ein wichtiges Thema: Psychopharmaka sind auch für Hunde auf dem Markt, Ängste plagen die Tiere. Neben den bereits genannten ernährungsbedingten Kleintier-Krankheiten nehmen Tumoren immer mehr zu. Hier treten also, im Gegensatz zu den, bei den Nutztieren vorherrschenden Entzündungskrankheiten mit auflösenden Charakter die verhärtenden, sklerotischen Prozesse vermehrt auf.
Das Grundproblem scheint zu sein: Wo kann dieses, so eng mit dem Menschen lebende Tier noch Tier sein?
Möge dieser Beitrag dazu anregen, das uns anvertraute Tier in seinen Wesensgliedern wahrzunehmen und ihm auf allen Ebenen zu begegnen und gerecht zu werden.
Dieser Vortrag wurde am 8./9.12.2012 im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Weiterbildung für praktizierende BiodynamikerInnen“ am Wurzerhof und in Maribor gehalten und von Wilhelm Erian transkribiert.